Welche Zukunft für Avocados, Cashews und Kaffee?
Weiterlesen
Foto: Wo der Kongo kaffeereich ist[1]
* * *
Günther Lanier, Ouagadougou 2.2.2022[2]
* * *
Vor zwei Wochen brachte BBC einen Bericht[3] über Avocados in Kenia und wie das neuentdeckte “grüne Gold“ dort Diebsbanden anlockt. Die Früchte eines einzigen Baumes können 600 USD wert sein. Um die Ernte zu schützen, haben die BäuerInnen begonnen, Wächter anzuheuern. Andere versuchen, den Dieben zuvorzukommen, indem sie früh ernten. Wieder andere verlassen sich auf Überwachungskameras.
Kenia ist Afrikas größter Avocado-Exporteur. Es hinkt zwar weit hinter Peru und Brasilien her, seine diesbezüglichen Exporteinnahmen lukrierten letztes Jahr aber schon 132 Mio USD. Wobei ein Zehntel der Produktion ausgeführt wird. Bald könnten die Avocados dem kenianischen Tee den Rang ablaufen.
Doch droht nicht von anderer Seite größere Gefahr noch als von den Dieben? Wissen wir, wie sich der Klimawandel auswirken wird?
In der Vergangenheit kümmerten sich die meisten Studien zu dem Thema um die gemäßigten Zonen und dort um die fürs Überleben wichtigen Nahrungsmittel, Weizen, Mais, Kartoffel und dergleichen. Doch seit ein paar Tagen verfügen wir über eine wissenschaftliche Studie[4], die sich tropischer Früchte annimmt und die Auswirkungen des Klimawandels über die nächsten dreißig Jahre zu prognostizieren versucht.
Untersucht wurden Avocados, Cashews und Kaffee.
Die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich. Bei Avocados und Cashews wird es zu Veränderungen kommen, in Summe dürfte sich, glauben wir der Studie, der Klimawandel bei ihnen jedoch nicht negativ auswirken. Beim Kaffee hingegen ist das ganz anders. Der könnte um vieles rarer, ja geradezu zu einem Luxusprodukt werden.
Wie sind die vier AutorInnen vorgegangen?
Sie haben sich zunächst die Bedingungen angeschaut, unter denen die drei Produkte gedeihen. Ihre Aufmerksamkeit galt zwei Aspekten: dem Klima und dem Boden. Mit deren Hilfe wurden für jedes der drei Produkte vier Kategorien definiert: sehr günstig (S1), günstig (S2), bedingt günstig (S3), ungeeignet (N).
Die folgende Tabelle gibt Auskunft über die Kategorie-Grenzen für Avocados. Beim Boden wurden acht Sub-Indikatoren festgelegt[6], fürs Klima fünf – nämlich das durchschnittliche Jahrestemperaturmittel, der Mittelwert der Tiefsttemperaturen im kältesten Monat, die mittleren jährlichen Niederschläge, die Länge der Trockenzeit und die mittlere relative Feuchtigkeit im trockensten Monat.
Mithilfe dieser Kategoriegrenzen und auf der Basis einer großen Menge von Daten konnten die StudienautorInnen dann für die ganze Welt – oder besser für ihre tropischen und subtropischen Teile, wo Avocados gedeihen – Karten zeichnen, die sehr günstige (S1/dunkelgrüne), günstige (S2/hellgrüne), bedingt günstige (S3/blaue) Gebiete ausweisen und von den ungeeigneten (N/hellgraue) unterscheiden.
In Afrika schaut es für Avocados derzeit so aus:
Und wenn in dasselbe Modell die für 2050 prognostizierten Daten eingegeben werden, dann lassen sich für die nächsten knapp dreißig Jahre folgende Kategorie-Veränderungen vorhersagen:
N.B.: Die Zahlen messen die Kategorie-Veränderungen: 0 bedeutet “keine Veränderung“, +3 bedeutet den Aufstieg von ungeeignet zu sehr günstig, -2 kann z.B. den Abstieg von sehr günstig zu eingeschränkt günstig bedeuten oder von günstig zu ungeeignet.
Wir sehen, dass sich die Bedingungen für Avocados bis 2050 in Äquatornähe in Afrika verschlechtern werden – Ausnahmen sind Kenia oder Uganda, wo sie sich verbessern werden, wie auch weiter von Äquator weg.
Als nächstes nun dieselbe Übung für die Cashews. Dabei handelt es sich freilich nicht um eine Frucht[10], sondern um einen Kern, der wie ein Wurmfortsatz an einer Scheinfrucht, einem fleischig verdickten Fruchtstiel, dranhängt.
Zunächst die Kategoriegrenzen. Wie schon für die Avocados gilt auch hier: sehr günstig (S1), günstig (S2), bedingt günstig (S3), ungeeignet (N):
Die folgende Karte zeigt die Wachstumsbedingungen für Cashew-Bäume, -Früchte und -Kerne im tropischen und subtropischen Afrika. Sie ähneln denen der Avocados weitgehend. Allerdings liegen die günstigen Gebiete meist weniger weit vom Äquator entfernt.
Hier nun die bis 2050 für Afrika prognostizierten Veränderungen.
Für die Cashews wird sich in Afrika nicht viel ändern – und wenn schon, dann ganz überwiegend zum Positiven. Das gilt auch weltweit – da sollen die sehr günstigen Gebiet bis 2050 um 15-19% wachsen[15], die günstigen um 2-6%, die bedingt günstigen um 10-13%, während sich die ungeeigneten um 1-2% verringern werden.
Und nun zum Kaffee – Arabica-Kaffee, um genau zu sein.
Hier zunächst die von der Studie definierten Kategorie-Grenzen:
Studie p.3
Die Karte zeigt die für Kaffeekulturen günstigen Gebiete in Afrika – in dem Land, wo der Kaffee ursprünglich herkommt, in Äthiopien, sind sie gar nicht so weitverbreitet, aber dort (und in Südwest-Kenia) finden sich die einzigen für den Anbau sehr günstigen Gebiete des Kontinents (auch im Rest der Welt sind diese sehr selten – sowohl in Brasilien als auch in China sind sie überaus dünn gesät). Die kleinen dunkelgrünen Gebiete sind nur bei entsprechender Vergrößerung der Karte auszumachen. Gut zu sehen sind hingegen die Gebiete der zweit- und drittbesten Kategorien, die “günstigen“ und “bedingt günstigen“: Diese erstrecken sich von den Küstenländern des Golfs von Guinea bis Zentralafrika: Kamerun, die Zentralafrikanische Republik, Gabun, die beiden Kongos, Ruanda und Burundi sind fast zur Gänze hellgrün oder hellblau, dazu noch ein großer Teil von Angola.
Wenn wir uns die Karte der bis 2050 zu erwartenden Veränderungen ansehen, dann überwiegt für Afrika sehr deutlich das Rot. Nur für Äthiopien, Tansania und Angola, in geringerem Maß auch für Kenia und Uganda stehen auch positive Entwicklungen in Aussicht.
Das gilt nicht nur für Afrika. Auch Süd- und Mittelamerika inklusive Karibik sowie Südostasien inklusive Indonesien stehen flächenmäßig ausgedehnte Verschlechterungen bevor. Nur in China, in Golf von Mexiko-nahen Teilen der USA, im äußersten Süden Brasiliens, in Uruguay sowie im Norden Argentiniens sind nennenswerte Verbesserungen zu erwarten.
Weltweit werden die für Kaffee sehr günstigen Gebiet bis 2050 um 54-60% weniger werden , die günstigen um 31-41%, für die bedingt günstigen werden zwischen +3 und -13% prognostiziert.
Grund der im Vergleich zu Cashews und Avocados sehr viel dramatischeren Klimawandel-Auswirkungen bei Arabica-Kaffee ist dessen Empfindlichkeit gegenüber hohen Temperaturen (Höchstwerte bei den jährlichen Durchschnittstemperaturen von 22°/25°/28° in den Kategorien sehr günstig/günstig/bedingt günstig beim Kaffee – während erst Temperaturen über 34° ein Gebiet für Cashews und gar über 45° ein Gebiet für Avocados ungeeignet werden lassen).
Mit dem deutlichen Schrumpfen geeigneter Anbaugebiete – um über die Hälfte in der “sehr günstigen“ und um ein Drittel oder mehr in der “günstigen“ Kategorie – wird es über die nächsten Jahrzehnte zu deutlichen Rückgängen bei der Kaffee-Produktion kommen. Das wird logischerweise auf den Weltmärkten zu erheblichen Preissteigerungen führen. Kaffee könnte dadurch zu einem absoluten Luxus-Produkt werden.
Auf ProduzentInnenseite werden die Auswirkungen unterschiedlich sein. Diejenigen, die weiterhin oder unter den veränderten klimatischen Bedingungen auch neuerdings Kaffee ernten können, werden profitieren. Andere werden sich angesichts steigender Temperaturen nach neuen Anbauprodukten umsehen müssen. In Afrika werden dabei unter anderem Cashews und Avocados zur Wahl stehen.
Kaffee-Zubereitung während der Kaffee-Zeremonie in Äthiopien[19]
* * *
Endnoten:
[1] Nahe der Grenze zu Uganda. Foto Caroline Gluck 2.3.2012, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Problems_on_the_border_(6940585060).jpg.
[2] Petra Radeschnig gilt – wie stets – mein herzlicher Dank fürs Lektorieren!
[3] Emmanuel Igunza, Kenyan vigilantes taking on avocado gangs, BBC 16 January 2022 um 0h38, https://www.bbc.com/news/world-africa-59989656.
[4] Roman Grüter, Tim Trachsel, Patrick Laube, Isabel Jaisli, Expected global suitability of coffee, cashew and avocado due to climate change. 26/1/2022, PLOS ONE 17(1): e0261976 (ab sofort zitiert als “Studie“), https://doi.org/10.1371/journal.pone.0261976. Auf die Spur gebracht hat mich wieder einmal ein The Conversation-Artikel: Denis J Murphy, Coffee may become more scarce and expensive thanks to climate change – new research, The Conversation 27.1.2022, https://theconversation.com/coffee-may-become-more-scarce-and-expensive-thanks-to-climate-change-new-research-175766.
[5] Avocados, Foto David Adam Kess 4.11.2016, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hacienda_Chorlavi_pic._aa906350.jpg.
[6] Mit diesen beschäftige ich mich nicht – sie haben sich als wesentlich weniger wichtig erwiesen als das Klima.
[7] Studie p.3, Ausschnitt der Tabelle, leicht überarbeitet GL.
[8] Studie p.10.
[9] Studie p.16.
[10] Die Vitamin C-reiche Frucht, die schnell verdirbt und daher kaum handelbar ist, wird vor Ort zu Säften und Marmeladen verarbeitet.
[11] Cashew-Kern, Cashew-Frucht, Cashew-Baum, Foto David Stanley 1.3.2019, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Cashew_Nuts_(48095227868).jpg.
[12] Studie p.3.
[13] Studie p.9.
[14] Studie p.16.
[15] Die Bandbreite ergibt sich aus den drei Szenarien, die den Prognosen zugrundeliegen, eine mit niedrigen, eine mit mittleren und eine dritte mit hohen Emissionen. Siehe Studie p.14.
[16] Kaffeebohnen. Foto Oxfam East Africa 2.3.2012, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Coffee_beans_(6940585030).jpg.
[17] Studie p.7.
[18] Studie p.12.
[19] Foto Jean Rebiffé 21.6.2014, leicht überarbeitet GL, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bunna5_-_Grinding_coffee_beans.jpg.